Erweitertes Führungszeugnis in der Kinder- und Jugendarbeit - FAQ

FAQ - erweitertes Führungszeugnis

Hier finden Sie die häufigsten Fragen rund um das erweiterte Führungszeugnis:


  • Welche Vereine, Verbände und Gruppen sollen von den Gemeinden gemeldet werden?

    Definition "freie Träger der Jugendhilfe"

    Ein „freier Träger der Jugendhilfe“ ist jeder Verein, jede Gruppe oder jede Initiative, der/die „Leistungen der Jugendhilfe“ nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) erbringt.
    In unserem Fall sind dies Leistungen nach § 11 Abs. 3 SGB VIII.

     Zu den Schwerpunkten der Jugendarbeit gehören:

    • außerschulische Jugendbildung mit allgemeiner, politischer, sozialer, gesundheitlicher, kultureller, naturkundlicher und technischer Bildung,
    • Jugendarbeit in Sport, Spiel und Geselligkeit,
    • arbeitswelt-, schul- und familienbezogene Jugendarbeit,
    • internationale Jugendarbeit,
    • Kinder- und Jugenderholung,
    • Jugendberatung.



    Konkret sollen daher von den Gemeinden gemeldet werden

    1. Alle örtlichen Verbände, Jugendgruppen und Initiativen, deren Kreisverband oder überörtliche Ebene im Kreisjugendring zusammengeschlossen ist (Bitte beachten: Diese Aufzählung ist nicht abschließend, Änderungen sind möglich!):

    • Bayerische Jungbauernschaft e.V.
    • Deutsche Wanderjugend, LV Bayern
    • Landesjugendwerk der AWO in Bayern
    • Naturschutzjugend im LBV e. V.
    • THW-Jugend Bayern
    • Malteser-Jugend Bayern
    • Nordbayerische Bläserjugend im Nordbayer. Musikbund e. V.
    • Johanniter-Jugend Bayern
    • Bayerische Sportjugend im BLSV
    • Bund der deutschen katholischen Jugend in Bayern (BDKJ)
    • Evangelische Jugend in Bayern (ev. Jugend im Dekanatsbezirk Weiden)
    • Gewerkschaftsjugend im Deutschen Gewerkschaftsbund, Bezirk Bayern
    • Bayerische Trachtenjugend im Bayerischen Trachtenverband
    • Jugendfeuerwehr Bayern im Landesfeuerwehrverband Bayern
    • Bayerisches Jugendrotkreuz
    • Bayerische Schützenjugend
    • Verband der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP, DPSG, PSG, VCP)


    2. Darüber hinaus alle Vereine, Verbände, Gruppen und Initiativen, die

    • Leistungen der Jugendhilfe (siehe § 11 Abs. 3 SGB VIII) erbringen und 
    • wegen dieser Jugendarbeit durch die Gemeinde/Landkreis finanziell gefördert werden.


  • Wann benötigen ehrenamtlich Tätige ein erweitertes Führungszeugnis?

    Erweitertes Führungszeugnis bei Ehrenamtlichen

    Ehrenamtliche

    • nehmen Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe wahr (hier: Jugendarbeit)
    • haben Kontakt zu Minderjährigen
    • beaufsichtigen, betreuen, erziehen oder bilden diese Minderjährige aus (oder haben einen vergleichbaren Kontakt)
    • haben nach Art der Tätigkeit, der Intensität und der Dauer einen Kontakt zu den Minderjährigen, der die Möglichkeit bietet, diese zu gefährden


    Die Tätigkeit der Ehrenamtlichen oder des Ehrenamtlichen erfolgt üblicher Weise in einem pädagogischen Kontext.

    Bei der Entscheidung, ob eine Ehrenamtliche oder ein Ehrenamtlicher ein eFZ benötigt, kommt es immer auf eine Gesamtabwägung der Situation an. Entscheidend ist, ob die konkrete Tätigkeit die Möglichkeit bietet, eine Situation entstehen zu lassen, die Kinder und Jugendliche gefährden könnte.
    Im Regelfall entstehen bei der Wahrnehmung auch von neben- und ehrenamtlichen Aufgaben im Wirkungskreis der Kinder- und Jugendhilfe sehr schnell Situationen, die wegen der Vertrauensstellung oder des intensiven Kontakts zu den Minderjährigen ausgenutzt werden könnten.


    Von daher wird empfohlen, im Regelfall ein erweitertes Führungszeugnis einzuholen.

    Im begründeten Einzelfall kann aber von der Einholung eines erweiterten Führungszeugnisses abgesehen werden, wenn bei einer Tätigkeit die ehrenamtlichen Helferin bzw. der ehrenamtliche Helfer wegen

    • der Art
    • der Intensität oder
    • der Dauer

    der Aufgabenwahrnehmung ein mögliches Gefährdungspotenzial nahezu ausgeschlossen werden kann.


    Hilfe zur Einschätzung des Gefährdungspotential


    Nach Art des Kontakts

    NiedrigHoch
    Kein Missbrauch eines besonderen Vertrauensverhältnisses möglichMissbrauch eines besonderen Vertrauensverhältnis möglich
    Kein Hierarchie-/MachtverhältnisBestehen eines Hierarchie-/Machtverhältnisses
    Keine AltersdifferenzSignifikante Altersdifferenz
    Merkmal der Kinder/Jugendlichen, zu denen Kontakt besteht: höheres Alter, keine Behinderung, kein besonderes AbhängigkeitsverhältnisMerkmal der Kinder/Jugendlichen, zu denen Kontakt besteht: junges Alter, Behinderung, besonderes Abhängigkeitsverhältnis


    Nach Intensität des Kontakts

    NiedrigHoch
    Tätigkeit wird gemeinsam mit anderen wahrgenommenTätigkeit wird allein wahrgenommen
    Sozial offener Kontext hinsichtlich − Räumlichkeit oder − struktureller Zusammensetzung/ Stabilität der GruppeSozial geschlossener Kontext hinsichtlich − Räumlichkeit oder − struktureller Zusammensetzung/ Stabilität der Gruppe
    Tätigkeit mit GruppenTätigkeit mit einzelnen Kindern oder Jugendlichen
    Geringer Grad an Intimität/ kein Wirken in die Privatsphäre des Kindes/Jugendlichen (z.B. Körperkontakt)Hoher Grad an Intimität/ Wirken in die Privatsphäre des Kindes/Jugendlichen (z.B. Körperkontakt)


    Nach Dauer des Kontakts

    NiedrigHoch
    Einmalig/punktuell/gelegentlichVon gewisser Dauer/Regelmäßigkeit umfassende Zeitspanne
    Regelmäßig wechselnde Kinder/JugendlicheDieselben Kinder/Jugendlichen für gewisse Dauer

    Quelle: Empfehlungen des Deutschen Vereins zu Führungszeugnissen bei Neben- und Ehrenamtlichen
    in der Kinder- und Jugendhilfe (§ 72a Abs. 3 und Abs. 4 SGB VIII DV 15/12 AF II, 25 September 2012


  • Was sind die Inhalte eines erweiterten Führungszeugnisses?

    Inhalte und Gültigkeit des erweiterten Führungszeugnisses

    1. Inhalte

    • Alle in § 72a SGB VIII aufgeführten Straftatbestände
    • aber auch andere Straftaten, die nicht in § 72a SGB VIII genannt sind
    • und Strafen unter 90 Tagessätzen oder Freiheitsstrafen von nicht mehr als 3 Monaten


    2. Die Einsichtnahme in das eFZ hat vor der Aufnahme der Tätigkeit und dann in regelmäßigen Abständen (alle 5 Jahre) zu erfolgen.


    3. Die Gültigkeitsdauer/Aktualitätsdauer eines eFZ beträgt ab Ausstellung 3 Monate. Bei Überschreitung der 3 Monatsfrist ist jeweils ein aktuelles Führungszeugnis einzuholen.


  • Welche Straftatbestände führen zu einem Tätigkeitsausschluss?

    Straftatbestände, die zu einem Tätigkeitsausschluss führen

    Personen, die wegen folgender Straftaten rechtskräftig verurteilt sind, dürfen nach § 72a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nicht zur Wahrnahme von Aufgaben in der Kinder- und Jugendhilfe / Kinder- und Jugendarbeit eingesetzt werden:

    • § 171 Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht
    • § 174 Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen
    • § 174a Sexueller Missbrauch von Gefangenen, behördlich Verwahrten oder Kranken und Hilfsbedürftigen in Einrichtungen
    • § 174b Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung
    • § 174c Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses
    • §§ 176 bis 176b Tatbestände des sexuellen Missbrauchs von Kindern
    • §§ 177 bis 179 Tatbestände der sexuellen Nötigung und des sexuellen Missbrauchs
    • § 180 Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger
    • § 180a Ausbeutung von Prostituierten
    • § 181a Zuhälterei
    • § 182 Sexueller Missbrauch von Jugendlichen
    • § 183 Exhibitionistische Handlungen
    • § 183a Erregung öffentlichen Ärgernisses
    • §§ 184 bis 184d Verbreitung pornografischer Schriften und Darbietungen
    • §§ 184e bis 184f Ausübung verbotener und jugendgefährdender Prostitution
    • § 225 Misshandlung von Schutzbefohlenen
    • §§ 232 bis 233a Tatbestände des Menschenhandels
    • § 234 Menschenraub
    • § 235 Entziehung Minderjähriger
    • § 236 Kinderhandel


  • Wie und wo erhalte ich ein erweitertes Führungszeugnis?

    Beantragung eines erweiterten Führungszeugnisses

    Das Führungszeugnis kann entweder persönlich (Bitte Personalausweis oder Reisepass mitbringen!) oder schriftlich bei der örtlichen Meldebehörde (= Gemeinde) oder online (nur mit elektronischem Personalausweis bzw. elektronischem Aufenthaltstitel) beim Bundesamt für Justiz beantragt werden.


    In bestimmten Fällen – z. B. bei Minderjährigen (ein Führungszeugnis kann ab einem Alter von 14 Jahren ausgestellt werden) – kann aber auch die gesetzliche Vertretungsperson den Antrag stellen.
    Eine Vertretung durch eine eine bevollmächtigte Person (z. B. Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt) ist bei der Antragstellung unzulässig. Dadurch wird sichergestellt, dass keine andere Person unbefugt und ohne Wissen der Antrag stellenden Person ein Führungszeugnis beantragen kann.

    Bei der Meldebehörde werden Ihre Personalien in das Antragsformular aufgenommen und gegen Gebühr amtlich bescheinigt. Der Antrag wird dann dem Bundeszentralregister nach Bonn übersandt, wo das Führungszeugnis ausgestellt wird. Das Privatführungszeugnis wird Ihnen mit der Post an die angegebene Privatadresse, die im Einzelfall auch von der Meldeadresse abweichen kann, zugesandt.

    Weitere Informationen zur Antragsstellung finden Sie hier



    Eventuell ist jedoch auch ein Sammelantrag für alle ehrenamtlich Arbeitenden eines Vereins denkbar. Fragen Sie bitte bei Ihrer Kommune nach, ob diese aufgrund der geltenden gesetzlichen Bestimmungen diese Vorgehensweise erlaubt!

    Nach § 30a Absatz 2 BZRG hat, wer einen Antrag auf Erteilung eines erweiterten Führungszeugnisses stellt, eine schriftliche Aufforderung vorzulegen, in der der Träger, der das erweiterte Führungszeugnis von der Antrag stellenden Person verlangt, bestätigt, dass die Voraussetzungen nach § 30a Absatz 1 BZRG vorliegen.

    § 30a Antrag auf ein erweitertes Führungszeugnis

    (1) Einer Person wird auf Antrag ein erweitertes Führungszeugnis erteilt,

    1. wenn die Erteilung in gesetzlichen Bestimmungen unter Bezugnahme auf diese Vorschrift vorgesehen ist oder

    2. wenn dieses Führungszeugnis benötigt wird für

    a) die Prüfung der persönlichen Eignung nach § 72a des Achten Buches Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe –,
    b) eine sonstige berufliche oder ehrenamtliche Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung Minderjähriger oder
    c) eine Tätigkeit, die in einer Buchstabe b vergleichbaren Weise geeignet ist, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen.


  • Wie lange ist das erweiterte Führungszeugnis gültig?

    Inhalte und Gültigkeit des erweiterten Führungszeugnisses

    Die Gültigkeitsdauer/Aktualitätsdauer eines eFZ beträgt ab Ausstellung 3 Monate. Bei Überschreitung der 3 Monatsfrist ist jeweils ein aktuelles Führungszeugnis einzuholen.


  • Ist die Ausstellung des erweiterten Führungszeugnisses grundsätzlich gebührenpflichtig?

    Kosten des erweiterten Führungszeugnisses

    Die Erteilung eines eFZ ist zwar grundsätzlich gebührenpflichtig.

    Für ehrenamtlich Tätige ist das eFZ nach Auskunft des Bundesamtes für Justiz jedoch gebührenfrei. Gebührenbefreiung ist bei der Meldebehörde unter Nachweis des Verwendungszwecks zu beantragen.

    Als Verwendungszweck sollte angegeben werden:

    Prüfung der persönlichen Eignung nach § 72a SGB VIII.


  • Wie kann ich im Sinne des Datenschutzes vermeiden, dass Vereinsvorstände direkt Einsicht in mein erweitertes Führungszeugnis haben?

    Sicherstellung des Datenschutzes

    Ehrenamtlich Arbeitende haben schon im Vorfeld der Diskussionen darüber, wie die Vorschriften des § 72a SGB VIII umgesetzt werden sollen, wiederholt Bedenken geäußert, den Vereinsvorständen, die dem Datenschutz gesetzlich nicht verpflichtet sind, Einsicht in Führungszeugnisse zu gewähren. Es wurde die Befürchtung geäußert, dass wegen dieser Bedenken ehrenamtlich Arbeitende ihre Tätigkeit beenden, obwohl nach dem erweiterten Führungszeugnis kein Tätigkeitsausschluss vorliegt. Es wurde daher wiederholt angeregt, die Einsichtnahme durch Amtspersonen vornehmen zu lassen, die bereits aufgrund ihrer dienstlichen Tätigkeit einem strengen Datenschutz verpflichtet sind (nicht jede Eintragung im Führungszeugnis hat einen Tätigkeitsausschluss zur Folge!).


    Um dieser Befürchtung zu begegnen, wird folgende Vorgehensweise empfohlen:

    Die Kommunen im Landkreis sollen den Vereinen aufgrund der besonderen Wertschätzung für deren Arbeit als Serviceleistung anbieten, die erforderliche Einsichtnahme in das erweiterte Führungszeugnis durch die Bediensteten der Gemeinde (diese unterliegen der dienstlichen Schweigepflicht) vornehmen zu lassen.

    Nach der Einsichtnahme stellen die Kommunen den Betroffenen eine Formblattbescheinigung aus, „dass gegen die jeweilige Person keine Gründe für einen Tätigkeitsausschluss aufgrund von § 72a Absatz 1 Satz 1 SGB VIII vorliegen.“ Diese Bescheinigung kann dann der jeweiligen Vorstandschaft vorgelegt werden.

    Es wird damit sichergestellt, dass der Datenschutz nach Einsichtnahme in die Führungszeugnisse aufgrund der rechtlichen Bestimmungen durch Amtspersonen gewahrt ist und gleichzeitig die Vereinsvorstandschaft durch die vorgelegte Bestätigung der Gemeinde ihre Verpflichtung nach der geschlossenen Vereinbarung zu § 72a SGB VIII erfüllen können.

    Die Bestätigung der Gemeinde kann bei sämtlichen Vereinen und Trägern vorgelegt werden und gilt für den gesamten Landkreisbereich.

    Die Gemeinden dürfen das vorgelegte Führungszeugnis nicht kopieren. Sie müssen die Ausstellung der og. Bescheinigung auch nicht dokumentieren! Die Gemeinden haben in diesem Zusammenhang keine Meldepflichten irgendwelcher Art an das Jugendamt.

    Bitte fragen Sie bei Ihrer Kommune nach, ob diese diesen Service anbietet und wenn ja, dann nutzen Sie ihn bitte! 


  • Was sind die rechtlichen Hintergründe zur Notwendigkeit eines erweiterten Führungszeugnisses in der Jugendarbeit?

    Hintergründe zur Notwendigkeit eines erweiterten Führungszeugnisses

    Rechtliche Grundlagen

    Das Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG)
    § 72a Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII)


    Vorgeschichte

    Auslöser für die Gesetzesänderung waren insbesondere die Anfang 2010 bekannt gewordenen Vorfälle von sexuellem Missbrauch in Schulen, Internaten, Heimen und sonstigen Einrichtungen.
    Der „Runde Tisch Sexueller Kindesmissbrauch“ entwickelte daraufhin Forderungen an Politik, Wissenschaft und die verschiedenen Akteure vor Ort.
    In diesem Zusammenhang entstanden auch die Hinweise zur Vorlage von Führungszeugnissen von Personen, die in ihrer Tätigkeit einen engen Kontakt zu Kindern und Jugendlichen aufbauen.


    Anliegen des Gesetzgebers

    • Kein „Generalverdacht“ gegenüber in der Kinder- und Jugendhilfe tätige Personen
    • Erweitertes Führungszeugnis (eFZ) als „ein Baustein“ eines umfassenden Präventions- und Schutzkonzeptes
    • Neues Verständnis von präventivem Kinderschutz


    Änderungen

    Um dem besonderen Schutzbedürfnis von Kindern und Jugendlichen gerade mit Blick auf Sexualstraftaten Rechnung zu tragen, hat der Gesetzgeber mit dem am 01.01.2012 in Kraft getretenen Bundeskinderschutzgesetz auch den § 72a SGB VIII geändert.
    Diese Vorschrift verfolgt das Ziel, einschlägig vorbestrafte Personen von der Wahrnehmung von Aufgaben in der Kinder- und Jugendhilfe fernzuhalten bzw. auszuschließen und damit Kindeswohlgefährdungen vorzubeugen.

    U. a. folgende wesentliche Änderungen beinhaltet der neue § 72a SGB VIII:

    • Ein eventueller Tätigkeitsausschluss ist durch die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses gemäß § 30a Bundeszentralregistergesetz (BZRG) bzw. für Bürgerinnen und Bürger anderer EU-Staaten eines europäischen Führungszeugnisses gemäß § 30b BZRG festzustellen.
    • Auch neben- und ehrenamtlich in der Kinder- und Jugendhilfe tätige Personen sind jetzt neu in den Anwendungsbereich einbezogen.
    • § 72a Abs. 4 SGB VIII verpflichtet die öffentlichen Träger der Jugendhilfe (=Jugendamt) zum Abschluss von Vereinbarungen mit den freien Trägern, in denen die Vorlagepflicht des erweiterten Führungszeugnisses von neben- und ehrenamtlich Tätigen geregelt ist.


    Auszug aus der Gesetzesbegründung, Besonderer Teil; BT-Drucks. 17/6256, 24-25

    Die Änderungen in § 72a tragen dem besonderen Schutzbedürfnis von Kindern und Jugendlichen gerade mit Blick auf Sexualstraftaten Rechnung, die wegen der Art, Dauer und Intensität des Kontakts ein besonderes Vertrauensverhältnis zu Personen außerhalb der Familie aufbauen. Dies eröffnet möglichen Tätern „Zugänge“ außerhalb des unmittelbaren elterlichen Einflussbereichs.
    Der Auftrag des Staates zum Schutz von Minderjährigen wird durch die Tatsache verstärkt, dass die Kontaktaufnahme zu Kindern und Jugendlichen im Kontext der Erbringung staatlicher Aufgaben und Leistungen erfolgt.
    In Umsetzung dieser besonderen staatlichen Schutzpflicht liegt der Regelung die Intention zugrunde, über die Vorlage von erweiterten Führungszeugnissen einschlägig vorbestrafte und damit ungeeignete Personen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe von der Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung von Kindern und Jugendlichen auszuschließen.
    Die Gefährdungslage für das Kind besteht unabhängig davon, ob diese Personen dem Kinde hauptberuflich, neben- oder ehrenamtlich gegenübertreten.
    Gefahrsteigernd für das Kind wirken sich alle Tätigkeiten aus, die es ermöglichen, ein besonderes Vertrauensverhältnis zu dem Kind oder Jugendlichen aufzubauen.
    Hierzu sind ehrenamtliche wie berufliche Tätigkeiten gleichermaßen geeignet.
    Der tatsächliche Zugang zu Tätigkeiten mit Kindern und Jugendlichen über das Neben- oder Ehrenamt ist nicht schwerer als über eine hauptamtliche Beschäftigung, die zunächst eine berufliche Qualifikation voraussetzt.
    Die Entscheidung, ob eine Tätigkeit den Grad der Kinder- und Jugendnähe erreicht hat, der ggf. die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses erforderlich macht, hängt davon ab, wie im Einzelfall der tatsächliche Kontakt der Person zu Kindern und Jugendlichen ausgestaltet ist.
    Ein Vorlageerfordernis ist dann gegeben, wenn die Kontakte von einer gewissen Intensität, Art und Dauer sind. Dies sind solche Kontakte, die grundsätzlich geeignet sind, ein besonderes Vertrauensverhältnis zu Kindern und Jugendlichen aufzubauen.


    Ergebnis einer Expertise zu den aufgrund dieser gesetzlichen Regelung zu erwartenden positiven und negativen Folgen

    (Auftraggeber der Expertise: Dr. Christine Bergmann, Unabhängige Beauftragte zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs)

    Gesehene positive Folgen

    • Ausschluss einschlägig vorbestrafter Personen
    • Abschreckungseffekt
    • Sensibilisierung der Verantwortlichen


    Mögliche negative Folgen

    • Abschreckung von eigentlich geeigneten Personen
    • Aufbau bürokratischer Hindernisse
    • Falsche Gewissheit, damit alles Erforderliche unternommen zu haben.


    Frau Dr. Bergmann spricht sich in ihrem 2011 veröffentlichten Abschlussbericht ausdrücklich für eine grundsätzliche Pflicht zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses auch für ehrenamtlich Beschäftigte aus.


  • Wie und mit welchen Zielen wurde das im Landkreis Neustadt an der Waldnaab umgesetzt?

    Umsetzung im Landkreis Neustadt an der Waldnaab

    Chronologie

    • 01.01.2012 In-Kraft-Treten des BKiSchG
    • 12.03.2013 Empfehlungen des Bay. Landesjugendhilfeausschusses zur Umsetzung der Regelungen des § 72a SGB VIII
    • 18.04.2013 Vorstellung des Konzeptes im Jugendhilfeausschuss Neustadt an der Waldnaab - Das Konzept wurde einstimmig gebilligt.
    • 23.04.2013 Vorstellung des Konzeptes bei der Frühjahrsvollversammlung des Kreisjugendringes
    • 14.06.2013 Vorstellung des Konzeptes in der Bürgermeisterdienstversammlung


    Ziele im Landkreis

    • Gemeinsam sicherzustellen, dass im Landkreis Neustadt a.d. Waldnaab keine Person Kinder und Jugendliche beaufsichtigt, betreut, erzieht oder ausbildet, gegen die nachweislich ein Tätigkeitsausschluss nach § 72a SGB VIII vorliegt!
    • Mit möglichst vielen haupt-, neben- und ehrenamtlichen Akteuren, die regelmäßigen Kontakt zu Kindern und Jugendlichen haben, soll es vor Ort zu einem Austausch über sexuellen Missbrauch kommen.
    • Dadurch soll eine stärkere Sensibilisierung erreicht werden und
    • die Wachsamkeit sowie die Barrieren für Übergriffe sollen sich dadurch erhöhen.